Vor vielen, vielen Jahren, als vielleicht 22jähriger Student, schenkte mir mein Opa so wie jedem seiner fünf Enkel 12.000 Mark mit der ausdrücklichen Anweisung,
davon möge gefälligst etwas Sinnvolles angeschafft werden. Ich jubelte, sehnte ich mich doch schon längst nach einem guten Übeinstrument als Ersatz für meinen abgewrackten Stutzflügel aus
DDR-Produktion! Aber schnell wurde ich mit der Realität konfrontiert: Die Münder der Klavierverkäufer verzogen sich regelmäßig zu einem halb spöttischen, halb mitleidigen Grinsen, wenn ich
verriet, welch „riesigen“ Betrag ich zu investieren in der Lage war. Ich kaufte schließlich einen gebrauchten Bechstein-Flügel Baujahr 1912. Der war zwar besser als mein alter, aber ich
bewunderte und beneidete Kommilitonen aus reichem Elternhaus, die einen nagelneuen Steinway oder Bösendorfer ihr Eigen nennen konnten. Die anderen übten auf Yamaha- oder Kawai-Flügeln, ich
aber blieb meinem Bechstein treu – was blieb mir anderes übrig?
Jahre später: Ich konzertierte inzwischen öfter, meist in kleineren Sälen, und Zuhörer kritisierten immer wieder: „Der Flügel war zu laut“ „ ... zu knallig“, „ ...zu
grell“. Ich begann mich unwohl zu fühlen, musste mich auf diesen für Riesensäle konzipierten „Kampfpanzern“ ständig zurücknehmen und ertappte mich dabei, dass ich mir meinen klapprigen alten
Bechstein aufs Podium wünschte. Ich fühlte mich auf ihm einfach viel wohler. Hatte mich das Üben auf dem leiseren und feineren Instrument für den modernen Konzertflügel verdorben? – Nein,
ganz so ist es nicht: Ich spiele auch gern auf sehr gut und relativ weich intonierten modernen Flügeln mit lyrischem Grundcharakter. Aber immer wieder waren alte Instrumente mit Namen wie
Schwechten, Thürmer oder Schiedmayer meine Begleiter. Nach und nach machte ich aus der Verlegenheit eine Philosophie und begann aktiv nach interessanten historischen Instrumenten zu suchen.
Freunde und Bekannte, die von meinem „Spleen“ wussten, machten mich auf Kaufgelegenheiten aufmerksam, ich lernte Klavier-Restauratoren kennen, und so kam manches Klavier und mancher Flügel zu
mir. Aber – ich bin kein Sammler, sondern Musiker, und immer war mir nur zweierlei wichtig: Wie spielt er sich, und wie klingt er?
Sie haben es also meinem Opa zu verdanken, dass Sie diese feinen Instrumente im Klavier-Spiel-Museum anschauen, anhören und anspielen können. Mein alter Bechstein
ist nicht dabei. Er hat schon längst das Zeitliche gesegnet, und einen seiner Brüder habe ich momentan nicht in der Sammlung, auch „gar keine klingenden Namen“, wie einmal etwas enttäuscht ein
Bekannter feststellte. Damit meinte er Steinway, Bösendorfer usw. Aber warum sollte ich das? Soll ich ausstellen, was man eh kennt? Staunen wir lieber über die Vielfalt des Wirtschaftslebens im
alten Deutschland, die auch in diesem kleinen Klavierraum in einem winzigen Ausschnitt erkennbar und erlebbar wird: Vor hundert Jahren bauten in Deutschland ca. eintausend kleine und große Firmen
Klaviere und Flügel! Ob dabei Theodore Steinway das bessere Klavier gebaut hat als Carl Scheel, und Carl Bechstein den besseren Konzertflügel als Theodor Stöcker, das sei einmal dahingestellt.
Was das Fortbestehen der großen Firmen gesichert hat, waren Geschäftssinn, Investitionen, Expansion und Werbung, das hat mit der Qualität der Instrumente relativ wenig zu tun. Nur diese aber –
und ihre Eigenart und ihr Zauber – interessiert mich, und nichts anderes!